Institut für Geologie

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Wenn die Erde rumort

Was hat Granit mit Erdbeben zu tun? Dieser Frage gingen am 31. Januar zehn Gymnasiasten aus dem Kirchenfeldgymnasium auf den Grund. Sie untersuchten Bohrkerne aus der Grimselregion und fanden heraus, wie hydrothermales Wasser seinen Weg aus dem Untergrund an die Erdoberfläche findet.

Untersuchung Grimselbohrkern
Gymnasiasten untersuchen einen Bohrkern der Grimeslbohrung
Granit und schwarzer Schiefer
Hauptakteure des Besuchstags: Granit und schwarzer Schiefer

Im Rahmen ihrer Projektwoche haben Gymnasiasten des Kirchenfeld Gymnasiums Einblicke in verschiedene Projekte und analytische Methoden erhalten, welche Geologen in der aktuellen Alpenforschung bei uns am Institut für Geologie ensetzen.

Los ging’s mit einer allgemeinen Einführung im Hörsaal. Vor den Jugendlichen lagen zwei unscheinbare Gesteinsproben, welche als Hauptakteure des Besuchstags agierten und ihnen Hinweise auf längst vergangene Ereignisse geben sollten. Im Granit erkennen sie Feldspat, Quarz und Glimmer. Im schwarzen, geschieferten Gestein ist von blossem Auge kam etwas zu erkennen. Wie können Geologen also den zwei Steinen weitere Informationen über ihre Entstehung entlocken?

In der Geologie spielen unterschiedliche Massstäbe eine wichtige Rolle. Es geht um grossräumige Phänomene wie die Plattentektonik und die damit zusammenhängenden Erdbeben. Diese hinterlassen Spuren in den Gesteinen, aus denen Geologen Rückschlüsse ziehen können. Also suchen Geologen draussen in der Natur nach den entsprechenden Steinen und zurück an der Universität untersuchen sie diese in den entsprechenden Laboren.

Erdbebengefährdung in der Schweiz
Erdbebengefährdung in der Schweiz

Prof. Marco Herwegh gibt den Jugendlichen noch einige Hintergrundinformationen. Sie schauen sich für den Zeitraum von 1900-2016 Karten an, auf denen jeweils die grösseren Erdbeben für einen Abschnitt von jeweils 10 Jahren angezeigt sind. Eindeutig stellen sie fest, welches die Regionen sind, in denen in der Schweiz vermehrt stärkere Erdbeben auftreten: Wallis, Graubünden, Innerschweiz, St. Galler Rheintal und Basel.

In einem kurzen Abstecher in die Plattentektonik erfahren sie, dass sich Gesteine spröd oder duktil verformen, je nach dem wie tief unter der Erdoberfläche sich die Gesteine befinden. Denn in grösserer Tiefe nehmen Druck und Temperatur zu, so dass Steine zu fliessen beginnen. Prof. Marco Herwegh demonstriert dies anschaulich mit einer Knetmasse. Zieht er langsam daran, ist sie schön dehnbar. Reisst er jedoch schnell an den beiden Enden, bricht auch die elastische Knetmasse. Ähnlich verhalten sich Gesteine der Erdkruste. Entweder sie sind oberflächennah, wo sie bei Deformation immer spröde zerbrechen, oder aber sie befinden sich in grösseren Tiefen, in denen sich Gesteine eigentlich duktil verformen. Beim schnellen Abbau der angestauten Spannungen im Gestein können auch im letzteren Fall Erdbeben ausgelöst werden.

Bohrprofil
Eingezeichnete Bereiche im Bohrprofil

Nach der Einführung dürfen die Gymnasiasten selbst einige Untersuchungen vornehmen. Der Geologe Daniel Egli stellt ihnen seine Geothermieforschung am Grimselpass vor. Dort erfolgte zu Forschungszwecken 2015 eine Bohrung. Denn es ist bekannt, dass in diesem Gebiet warmes, hydrothermales Wasser aus dem Untergrund aufsteigt. Die Frage stellt sich also: Würde sich dieses für geothermische Nutzung eignen? Die Jugendlichen vermessen eine Serie ausgelegter Bohrkerne. Dazu erstellen sie Bohrprofile, in denen sie einzeichnen, an welchen Stellen sie spröde oder duktile Deformationen finden. Insbesondere sind gelblich-orange Bereiche erkennbar. Sie zeigen an, dass in den Steinen eisenhaltige Minerale vorkommen, die in Kontakt mit Sauerstoff zu rosten beginnen. Sie sind ein eindeutiges Anzeichen dafür, dass sich an diesen Stellen also Wasser einen Weg durch das Gestein gebahnt hat. Anschliessend vergleichen sie ihre Aufnahmen mit Bildern am Computer, die dreidimensionale Aufnahmen aus dem Bohrloch zeigen. Diese wurden direkt während der Bohrung im Bohrloch aufgenommen. So lässt sich feststellen, welche Brüche in welchen Tiefen auftauchen und wo das Wasser somit zirkulieren kann.

Diskussion Grimselbohrkern
Gymnasiasten untersuchen einen Bohrkern der Grimeslbohrung
Vergleich mit Bohrloch-Logaufnahme
Die Jugendlichen vergleichen ihre Beobachtungen des Bohrkerns mit den Aufnahmen im Bohrloch.

Schlussendlich zeigt Daniel Egli ein Bild eines Aufschlusses in der Natur. Deutlich sind darauf die unterschiedlichen Bereiche im Gestein sichtbar: Einerseits helle, dichte Stellen mit schönen Fliessstrukturen und andererseits spröde Bereiche, die entsprechend wasserdurchlässig sind.

spröde und duktile Bereiche
Spröde und duktile Bereich in einem Aufschluss im Gelände

Bei einem abschliessenden Blick auf die Schweizer Karte wird klar: Die Gebiete mit Hydrothermalquellen entsprechen auch den Zonen mit den meisten Erdbeben. Es gibt somit eine ultimative Verknüpfung zwischen dem Auftreten von Erdbeben und dem Fliessen heisser Wässer im Untergrund. Denn durch das spröde Zerbrechen von Gesteinen entstehen Wasserfliesswege.

Hydrothermalquellen in der Schweiz
Hydrothermalquellen in der Schweiz

In einem nächsten Block zeigten die zwei Doktoranden Raphael Schneeberger und Samuel Mock den Jugendlichen am Computer, wie sie mittels Fernerkundung Brüche in digitalen Höhenmodellen an der Erdoberfläche erkennen und nachzeichnen können. Anschliessend konnten sie mit einem Algorithmus vom Computer eine Fläche berechnen lassen, die automatisch die Lage der dreidimensionalen Bruchfläche einzeichnete. Die Jugendlichen färbten die Fläche zusätzlich ein, so dass die räumliche Darstellung verständlicher wurde. Schlussendlich konnten die Jugendlichen so dreidimensionale Blockgrafiken erstellen, in der sie die Lage der zahlreichen Bruchflächen im Gelände darstellten. Die Blockgrafiken lassen sich drehen, so dass das Resultat aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und vom Geologen interpretiert werden kann.

Digitale Höhenmodelle
Die Jugendlichen zeichnen Lineare in das digitale Höhenmodell ein
Algorythmen für Bruchflächen
Computeralgorythmen zeigen die errechnete Bruchfläche dreidimensional an

Mit diesen Untersuchungen wollen die Geologen die Wege erforschen, die sich das Wasser durch die Gesteine sucht. Im Grimselgebiet existieren unterirdische Stollen, die z.B. durch die NAGRA als natürliches Forschungslabor für Experimente genutzt wird. Auch wenn kristallines Gestein in der Schweiz längst für die Lagerung von radioaktiven Abfällen ausgeschlossen ist, gewinnen Geologen weiterhin interessante Erkenntnisse. Raphael Schneeberger beprobte das Wasser in diesen Stollen und untersuchte es auf bestimmte Sauerstoff- und Wasserstoffisotope. Es stellte sich heraus, dass es sich tatsächlich um Regenwasser handelt, das in den 60er Jahren am Juchlistock in den Untergrund versickert ist. Weiter stellte er fest, dass sich das Wasser von parallel verlaufenden Brüchen nicht vermischt. Es gibt also keine seitlichen Verbindungen zwischen den einzelnen Bruchsystemen.

Diese Informationen sind für zwei Forschungsgebiete wichtig. Denn bei der Lagerung radioaktiver Abfälle sollte ausgeschlossen werden, dass Wasser aus der Umgebung von radioaktiven Abfällen wasserlösliche radioaktive Stoffe an die Erdoberfläche transportiert. Umgekehrt sind im Falle der Geothermie Wegsamkeiten des Wassers erwünscht, um an nutzbares, heisses Wasser zu gelangen. Dies bedeutet, dass Geothermiebohrungen möglichst in die Nähe der Brüche gehen sollten, entlang derer das heisse Wasser fliesst, wenn man diese natürlich zirkulierenden heissen Wässer nutzen möchte. Die entsprechenden Bruchsysteme können sehr weit in die Tiefe reichen. Einige Wässer stammen aus bis zu 4 Kilometern Tiefe. Sie weisen Alter von bis zu 30'000 Jahren auf, sind also Zeugen aus der letzten Zwischeneiszeit, wenn sie heute als hydrothermales Wasser an die Erdoberfläche aufsteigen.

Klüfte am Grimselpass
Raphael Schneeberger stellt seine Forschung beim Grimselpass vor

Am Nachmittag untersuchten die Jugendlichen die zwei Gesteine vom Morgen unter dem Mikroskop. Damit Geologen Steine mikroskopieren können, werden 20-30µm dünne Gesteinsplättchen erstellt. Am späteren Nachmittag erklärte Thomas Aebi den Jugendlichen in der Steinschleifwerkstatt, wie er Dünnschliffe herstellt.

Beim Mikroskopieren werden Lichtstrahlen durch das Gesteinsplättchen geleitet. Die Jugendlichen erinnern sich aus dem Physikunterricht, dass Lichtstrahlen durch unterschiedliche Wellenlängen und Amplituden definiert sind. Genau dies macht sich die Gesteinsmikroskopie zu Nutze. So können die einzelnen Minerale unterschieden werden, insbesondere wenn zwei senkrecht aufeinanderfolgende Polfilter zum Einsatz kommen. Dadurch können die Lichtstrahlen nur noch in bestimmte Richtungen schwingen.

Mikroskopieren
Die Jugendlichen mikroskopieren den Granit

Im Dünnschliff des Granits können die Jugendlichen nun die drei Minerale Quarz, Feldspat und Glimmer betrachten. Die Glimmerminerale fallen durch ihre starken Farben auf. Bei den grauen Mineralen können sie zwei Typen unterscheiden. Bei den grossen Mineralen sind meist noch eine Kristallform sowie teilweise gerade, auffällige Lamellen erkennbar. Dies sind die Feldspäte. Zwischen den grossen Feldspäten und Glimmermineralen erscheinen die Quarzkörner verhältnismässig klein.

Marco Herwegh erklärt, dass die grossen Kristalle zu Beginn entstehen, wenn ein Magma in eine Magmakammer eindringt und langsam abkühlt. Erst ganz am Schluss bilden sich die Quarze in den restlichen Zwischenräumen. Ursprünglich waren die Quarze jedoch auch grösser. Da im Untergrund das Gestein unter grossem Druck steht, entstehen in den Quarzkörnern feine Risse zwischen den Atomen des Kristalls, die jedoch auf atomarer Ebene gleich wieder verheilen. Dadurch rekristallisieren aus einem grossen Quarzkorn ganz viele kleine Körner. Dieser Vorgang ist typisch für duktile Verformung von Gesteinen. Massgeblich sind dabei die inneren Bindungskräfte innerhalb der Kristallstruktur.

Rissheilung im Kristallgitter
Bei duktiler Deformation verheilen Risse zwischen den Atomen im Kristallgitter.

Beim zweiten Dünnschliff zum schwarzen Handstück sind die Bestandteile insgesamt viel feinkörniger. Dort erkennen die Jugendlichen, dass auch die Feldspäte zerbrochen sind. Insbesondere ist eine parallele Bänderung erkennbar. Geologisch fand durch starke zerscherende Kräfte eine Umwandlung vom Granit zu einem Schiefer statt.

Dünnschliff Tonschiefer
Im Tonschiefer ist zu erkennen, dass die Mineralkörner wesentlich kleiner sind.

Der letzte Dünnschliff zeigt, dass ein Gestein regelrecht zermörsert sein kann, wenn es spröd verformt wird. Die Jugendlichen werden gebeten, die Schliffe möglichst vorsichtig zu behandeln. Denn im Vergleich zu normalen Schliffen, deren Produktion hundert Franken kostet, betrachten sie nun 200'000.- wertvolle Schliffe. Teuer sind nicht die Gesteine selbst, sondern die extrem aufwändige Methode, mit der die Proben bereits im Berginnern genommen werden konnten. Dazu war ein Verfahren notwendig, bei dem Klebestoff ins Gestein gepresst wurde, um das Gestein zusammenzuhalten. Denn das Gestein ist so pulvrig, dass es andernfalls schlicht auseinanderfallen würde. So stark haben die Gebirgskräfte auf dieses Gestein eingewirkt. Zwischen den einzelnen Atomlagen besteht überhaupt keine Bindung mehr. Deshalb zerbröselt das Gestein regelrecht. Andererseits bieten genau diese Zonen ideale Bedingungen, damit Wasser hindurchfliessen kann. Im Dünnschliff wirken die Minerale entsprechend porös.

Zerbröselndes Gestein im Dünnschliff
Zerbröselndes Gestein im Dünnschliff

Die Jugendlichen erkennen also, dass ein Gestein mit der gleichen chemischen Zusammensetzung komplett unterschiedlich aussehen kann, je nach dem ob es duktil oder spröd verformt wurde. Auch helfen die mikroskopischen Untersuchungen den Geologen festzustellen, in welchen Gesteinen sich wiederum Fliesspfade finden lassen für die hydrothermalen Wässer.

In einem weiteren Block zeigte Alfons Berger den Jugendlichen, wie Geologen mit dem Rasterelektronenmikroskop die Gesteine noch bis in viel grössere Details untersuchen. Dazu tastet das Gerät mit einem Elektronenstrahl die gesamte Fläche des Dünnschliffs ab und liefert ein Graustufenbild. Minerale mit schweren Elementen sind hell dargestellt, solche mit leichten dunkel. Ein extrem helles Mineralkorn stach deutlich hervor. Die Messung ergab, dass es sich dabei um ein Allanitkorn handelt, das sich beispielsweise für eine Altersbestimmung mit Uran und Thorium eigenen würde.

Rasterelektronenmikroskop
Alfons Berger stellt das Rasterelektronenmikroskop vor.

Als Abschluss des Besuchs schauten sich die Jugendlichen einen Film zur Erdbebenforschung an. Darin zeigen Marco Herwegh und der Doktorand Thomas Buckingham, wie sie die berühmte Glarner Hauptüberschiebung untersuchen. Denn in diesem Gebiet haben Geologen bereits in früheren Jahrhunderten festgestellt, dass ungewöhnlicherweise alte Gesteine aus der Permzeit auf jungen tertiären Gesteinen liegen.  Auch dieses Phänomen können sich Geologen nur erklären, wenn sie ähnliche Untersuchungen durchführen, wie bei der Thematik im Grimselgebiet.

Erdbebenfilm: Wenn die Erde bricht
Erdbebenfilm: Wenn die Erde bricht (mySchool)